Jetzt entscheidet sich, ob der Wohnungsmarkt endgültig in die Knie geht: „Es steht Spitz auf Knopf. Der Wohnungsmarkt steht am Kipppunkt“, diese deutliche Warnung richtete der Wohnungsbau-Tag am 20. April an die Politik. Er stellte mit seinem Motto die Frage: „Kann Deutschland noch bauen?“ Die Antwort gaben die Wissenschaftler des schleswig-holsteinischen Wohnungs- und Bauforschungs-Instituts ARGE (Kiel). Sie legten auf dem Wohnungsbau-Tag in Berlin eine aktuelle Studie vor – und das mit klaren Worten: „Wenn jetzt nichts passiert, dann gibt es beim Wohnungsbau keine Talfahrt, dann erleben wir beim Neubau von Wohnungen einen regelrechten Absturz“, so Studienleiter Prof. Dietmar Walberg. Noch sei der Wohnungsbau gut aufgestellt: „Die heute vorhandenen Kapazitäten reichen, um 400.000 Wohnungen pro Jahr neu zu bauen. Immer vorausgesetzt, dass das Bauen auch möglich ist: ohne lähmende Genehmigungsprozesse, ohne hemmende Vorschriften und Auflagen. Und mit einer funktionierenden Finanzierung, vor allem einer von Bund und Ländern angepassten Förderung“, machte Dietmar Walberg deutlich. Die für den Wohnungsbau in Deutschland führenden sieben Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft, die sich im „Verbändebündnis Wohnungsbau“ zusammengeschlossen haben und den Wohnungsbau-Tag veranstalten, richteten dazu eine klare Forderung an Bund und Länder: Der Staat müsse seine Fördergelder für den Wohnungsbau „massiv aufstocken“, so das Wohnungsbau-Bündnis. Konkret seien für den sozialen Wohnungsbau bis 2025 mindestens 50 Milliarden Euro an Fördermitteln notwendig. Diese sollten von Bund und Ländern als Sondervermögen zur Verfügung gestellt werden. Nur mit den zusätzlichen Mitteln könne es gelingen, 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr neu zu bauen. Der Staat müsse zudem dem bezahlbaren Wohnungsbau intensiv unter die Arme greifen: Für 60.000 Wohnungen mit einer Kaltmiete zwischen 8,50 Euro und 12,50 Euro seien in dieser Legislaturperiode des Bundes noch einmal mindestens 22 Milliarden Euro notwendig. „Die Ampel muss Farbe bekennen. Sie muss entschlossen in den Wohnungsneubau investieren. Zum aktuellen Krisenmanagement dieser Regierung gehört, dass die Förderung des Neubaus von Wohnungen dringend auf neue Füße gestellt wird. Das muss ganz oben auf der To-do-Liste der Ampel stehen“, so das „Verbändebündnis Wohnungsbau“, das die ARGE-Untersuchung in Auftrag gegeben hat. Der Titel der aktuellen Wohnungsbau-Studie: „Status und Prognose: So baut Deutschland – So wohnt Deutschland“. Zudem sei es notwendig, den Bauüberhang – also die rund 900.000 zwar genehmigten, aber noch nicht fertig gebauten Wohnungen – ins Visier zu nehmen. Vor allem die 40 Prozent davon, die bislang nur auf dem Papier stehen, bei denen es aber noch keinen Baustart gibt: „Reihenweise werden die Bauvorhaben auf Eis gelegt, weil sie nicht mehr finanzierbar sind. Es kommt jetzt darauf an, sie für den bezahlbaren und für den sozialen Wohnungsbau zu gewinnen. Bevor Tausende von Wohnhäusern gar nicht gebaut werden, sollte der Staat Bauprojekte, die auf der Kippe stehen, retten: Er sollte ein Sonderprogramm zur ‚Wohnungsbau-Soforthilfe‘ auflegen: ein Förderpaket mit Zuschüssen und günstigen Krediten. Auch Umplanungen muss der Staat dabei unterstützen. Wichtig sind außerdem deutliche Abstriche bei Auflagen, um das Bauen so günstiger zu machen“, forderte das „Verbändebündnis Wohnungsbau“. So könne es gelingen, Wohnungen, die mit freifinanzierten Mieten geplant waren und deren Bau vor dem Aus stehe, doch noch an den Markt zu bringen – und zwar mit bezahlbaren Mieten und als Sozialwohnungen. Darüber hinaus sei es gerade in Metropolregionen, wo der größte Wohnungsmangel herrsche, wichtig, „jeden Quadratmeter zu nutzen, um umzubauen und aufzustocken“. Es komme jetzt darauf an, die Dachaufstockung endlich voranzutreiben. Ebenso müssten Büro- und Gewerbeimmobilien zu bezahlbaren Wohnungen und in Sozialwohnungen umgebaut werden: „Städte müssen dahin wachsen, wo Platz ist: nach oben. Und Gewerbeflächen, die nicht mehr gebraucht werden, müssen zu Wohnflächen werden“, forderte das Wohnungsbau-Bündnis. Damit das passiere, müsse der Staat entschlossen Geld in die Hand nehmen, Genehmigungsprozesse erleichtern sowie Hemmnisse in Gesetzen und Verordnungen beiseiteschaffen. Die Untersuchung der ARGE macht deutlich: Noch nie seit dem zweiten Weltkrieg waren die Bedingungen für den Wohnungsbau so schlecht: „Noch nie gab es gleichzeitig einen so hohen Bedarf von über 700.000 Wohnungen, so hohe Baukosten, so hohe Zinssprünge und vor allem auch so hohe Auflagen und Vorschriften für das Bauen wie heute. Der Wohnungsbau steckt in einer absoluten Ausnahmesituation“, erklärte Studienleiter Prof. Walberg. Der Wohnungsbau-Tag warnte: Eine „Weiter-so-Politik“ werde zum Abbau von Baukapazitäten führen. Wenn der Bau jetzt aber Manpower und Technik verliere, dann „läuft bald nichts mehr“. Die Baubranche stehe vor einer Zäsur: „Der Beschäftigungsabbau geht rasend schnell. Er läuft auf dem Bau sechs Mal schneller als der Personal-Aufbau. Geht der Bau jetzt in die Knie, dann dauert es also Jahrzehnte, bis er wieder auf die Beine kommt und das Niveau erreicht, das er bis heute mit Mühen aufgebaut hat: 920.000 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe“, so Studienleiter Walberg. Ein Einbruch beim Wohnungsbau werde nicht nur fatale Folgen für die Versorgung der Bevölkerung mit dringend benötigtem Wohnraum haben. Auch volkswirtschaftlich stehe viel auf dem Spiel: „Der Wohnungsbau ist ein starker Motor der Binnenkonjunktur – vor allem in der Krise. An der gesamten Wertschöpfungskette Wohnungsbau hängen über 3 Millionen Arbeitsplätze“, so Studienleiter Walberg. Die Akteure der Bau- und Immobilienbranche forderten auf dem Wohnungsbau-Tag, der Staat müsse jetzt kräftig an allen Stellschrauben drehen, an denen er drehen könne, um das sich abzeichnende „Desaster auf dem Wohnungsmarkt in letzter Minute noch abzuwenden“: Neben einem entschlossenen „Milliarden-Booster bei der Förderung“ sei eine konsequente Überprüfung von Gesetzen, Verordnungen und Normen notwendig. „Es geht darum, Kostentreiber drastisch zu reduzieren und Standards zu senken“, so ARGE-Institutsleiter Walberg. Die Studie nennt konkrete Zahlen: So machen Kommunen den Quadratmeter Wohnfläche im Neubau im Schnitt um gut 170 Euro teurer. Auf das Konto des Bundes gehen mehr als 400 Euro. Der Staat drehe über eine ganze Reihe von Punkten an der Preisspirale: u.a. durch Schall- und Brandschutz, Vorgaben bei Stellplätzen, für Außenanlagen und beim Material für Gebäudefassaden. Dies führt nach Angaben der Wissenschaftler dazu, dass die aktuellen Baukosten einer Mietwohnung in Großstädten im Schnitt bei 4.070 Euro pro Quadratmeter liegen. Hinzu komme noch der Grundstückspreis, der mit durchschnittlich 900 Euro zu Buche schlage. Die aktuell von der ARGE ermittelten Kosten für den Neubau von Mietwohnungen in großen Städten liegen damit bei knapp 5.000 Euro. Diese Zahlen machen nach Angaben des „Verbändebündnisses Wohnungsbau“ eines deutlich: „Es geht darum, jetzt alle Register zu ziehen. Ohne ein drastisches Aufstocken der staatlichen Förderung ist der Wohnungsneubau in Deutschland nicht mehr machbar.“ Die komplette Pressemitteilung finden Sie hier. Die Studie der ARGE Kiel steht hier zur Verfügung. Die Forderungen des Verbändebündnisses lesen Sie hier. |