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„Von diesem Regelungsniveau müssen wir dringend herunterkommen“

Seit Mai 2022 ist Dirk Salewski Präsident des BFW  Bundesverbands. Mit dem Landesverband Nord sprach er über die Zukunft des Wohnungsbaus, Baukostenreduzierungen und den Gebäudetyp E. 

BFW Landesverband Nord: Das Motto des diesjährigen Landesverbandstags des BFW Landesverbands Nord lautet: „Die Zukunft des Bauens – weniger ist mehr“. Sehen Sie das auch so? Wäre weniger beim Wohnungsbau wirklich mehr?

Dirk Salewski: Mit weniger Technik und weniger Regeln wäre es auf jeden Fall einfacher. Das ist meine feste Überzeugung. Denn wir sind überreguliert, gerade im Bauwesen. Das ist in den letzten 20 Jahren aufgrund der extrem niedrigen Zinsen nicht so stark aufgefallen. Die Schrauben wurden immer weiter angezogen, was früher „nice to have“ war, ist heute Pflicht. Das macht das Bauen heute so teuer, dass es sich kaum noch jemand leisten kann. Um den bezahlbaren Wohnraum bauen zu können, den wir so dringend brauchen, wäre es nötig, von dem einen oder anderen Wolkenkuckucksheim wieder Abstand zu nehmen. 

BFW Landesverband Nord: Können Sie ein Beispiel nennen?

Dirk Salewski: Wir wissen aus diversen Untersuchungen, dass beim Effizienzhausstandard 70 die Wirtschaftlichkeit noch gegeben ist. So ein Haus kann man auch wunderbar mit einer Wärmepumpe beheizen. Oder nehmen wir die Anforderungen an die Barrierefreiheit: Die deutsche Rollstuhlnorm ist die mit Abstand anspruchsvollste der ganzen Welt. Dadurch brauchen wir viel mehr Wohnfläche. Beispielsweise sind bei uns Bewegungsflächen rechts und links vom WC Pflicht. Aber selbst die Behindertenverbände sagen, dass das nicht nötig ist. Auch beim Brandschutz sind die Anforderungen seit dem Flughafenbrand in Düsseldorf massiv gestiegen. Hinzu kommen DIN-Normen, die eingehalten werden müssen, wenn man sich nicht angreifbar machen möchte. Wir haben zum Beispiel eine hochkomplexe Schallschutznorm, die in der Berechnung wahnsinnige Kosten verursacht. Trotzdem sind die Häuser genauso gut oder schlecht wie vor 20 Jahren. Im Ergebnis hat sich nichts geändert, nur die Berechnung ist viel teurer geworden. 

Von diesem Regelungsniveau müssen wir dringend herunterkommen. Sonst werden wir die Aufgabe, für normale Menschen ausreichend viel Wohnraum zur Verfügung zu stellen, nicht bewältigen können.  

BFW Landesverband Nord: Der Gebäudetyp E soll einfaches und experimentelles Bauen ermöglichen. Was versprechen Sie sich davon?

Dirk Salewski: Bisher weiß niemand, was dieser neue Gebäudetyp überhaupt ist. Das wird auf Bundesebene noch diskutiert. Was wir wieder brauchen, ist die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien. Der BFW Bundesverband hat zusammen mit seinen Partnerverbänden bei Prof. Stefan Leupertz, ehemals Richter am Bundesgerichtshof, ein Gutachten hierzu in Auftrag gegeben. Darin kommt er zu dem Schluss, dass wir zunächst eine Anpassung des Werkvertragsrechts im BGB bräuchten, um rechtssicher einen Gebäudetyp E – also ein einfaches oder experimentelles Haus – bauen zu können. Das diskutieren wir gerade mit dem Bundesministerium der Justiz. 

BFW Landesverband Nord: Sie sprechen häufig mit den politischen Entscheidern in Berlin. Was bringt Sie dabei am meisten auf die Palme?

Dirk Salewski: Ich bin jetzt seit 36 Jahren unternehmerisch tätig und seit zwei Jahrzehnten im BFW aktiv. Das bringt eine gewisse Altersmilde mit sich. Was mich aber immer noch ärgert, ist sicheres Auftreten bei absoluter Ahnungslosigkeit. Es ist schon erstaunlich, wie wenig Wissen mitunter vorhanden ist – auch bei sogenannten Fachpolitikerinnen und -politikern. 

BFW Landesverband Nord: Politische Vorgaben sind das eine. Was tun Sie bei sich im Unternehmen, um die Baukosten zu senken?

Dirk Salewski: Wir haben bei uns im Unternehmen die Produkte angepasst, um die Kosten zu reduzieren. Das bedeutet: Die Doppelhaushälfte hat jetzt vielleicht nur noch 130 statt 160 Quadratmeter. Komforteinrichtungen, die nicht unbedingt sein müssen, lassen wir weg. Aber damit können wir nicht all das kompensieren, was von uns gefordert wird. Mittlerweile zahlen Wohnungsunternehmen in einem Neubaugebiet über städtebauliche Verträge auch die Infrastruktur mit. Wenn dieser Posten wegfiele, würden die Baupreise wieder zum Zinsniveau passen und der Markt würde wieder in Bewegung kommen. 37 Prozent jedes Euros, der verbaut wird, landen in den öffentlichen Kassen. 

BFW Landesverband Nord: Wie viel Potenzial sehen Sie im seriellen und modularen Wohnungsbau?

Dirk Salewski: Für manche Grundstücke kann das eine gute Lösung sein. Aber wenn es spezielle Anforderungen gibt, wird es schwierig. Außerdem haben wir die kommunale Planungshoheit und da gibt es sehr häufig Vorgaben, die mit seriell gefertigten Häusern nicht zu erfüllen sind.