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Marcel Heinz, Vattenfall Energy Solutions GmbH

„Die Branche muss mutig sein“

Bild: Vattenfall Energy Solutions GmbH

Marcel Heinz ist Prokurist und Standortverantwortlicher für Hamburg bei der Vattenfall Energy Solutions GmbH. Als Contractor begleitet das Unternehmen Projektentwickler, Bauträger, Verwalter und Bestandshalter auf dem Weg zur fossilfreien Energieversorgung ihrer Gebäude.

BFW Landesverband Nord: Was ist die Aufgabe eines Contractors?

Marcel Heinz: Wir wissen, wie Strom, Wärme und Kälte am besten in die Gebäude gelangen. Anders als klassische Energieversorger stellen wir als Contractor aber nicht nur die Energie bereit, sondern errichten und betreiben auch die Anlagen und Wärmenetze. Die Kunden müssen sich um deren Planung und das Investment also keine Gedanken machen. Die Lösungen entwickeln wir gemeinsam mit den Bauherren und Quartiersentwicklern und beziehen deren Vorgaben ein. 

Worin besteht momentan die größte Herausforderung bei der Wärmeversorgung? 

In der Vergangenheit gab es klare Strukturen und Regelungen, anhand derer wir planen konnten. Zum Beispiel waren die Förderbedingungen für die Kraft-Wärme-Kopplung früher sehr attraktiv. Diese Förderungen werden jetzt nach und nach abgebaut, allerdings ohne eine gleichwertige Ersatzmaßnahme zu platzieren. Momentan erhalten Wärmepumpen eine Invest-Förderung, aber keine energetische Förderung. Ob das auch in Zukunft so bleibt, ist noch nicht final beschlossen. Die große Herausforderung für uns ist es, die Investments technisch und monetär trotzdem so zu gestalten, dass unsere Kunden ein wirtschaftlich attraktives und zukunftsfähiges Versorgungspaket bekommen. 

Ist die Beratung also schwieriger geworden?

Jein. Schwieriger ist sie nicht, aber anspruchsvoller. Beraten haben wir schon immer. Aber jetzt müssen wir vielen Kunden erst einmal die Verunsicherung bezüglich der sich ändernden gesetzlichen Anforderungen nehmen. Fakt ist: Der Gebäudebestand muss klimaneutral werden. Das ist eine Riesenaufgabe. Deshalb muss die Immobilienbranche jetzt mutig sein, sich aus der Komfortzone herausbewegen und neue Wege der Energieversorgung einschlagen. Dabei können wir als Contractor helfen. Der Vorteil für die Kunden: Wir sind auf diesem Gebiet die Experten und behalten den Überblick bei all den neuen technologischen Möglichkeiten und sich ändernden Rahmenbedingungen. 

Ein klimaneutraler Gebäudebestand in Deutschland bis 2045: Halten Sie das für realistisch? 

Wir sind optimistisch. Das Gebäudeenergiegesetz gibt den Pfad dafür vor, wie die Versorgungslösungen aussehen sollen. Unser großer Vorteil ist, dass wir seit 1999 in Hamburg tätig sind und schon etliche klimaschonende Anlagen konzipiert und realisiert haben. Der Großteil hat auf Anhieb zuverlässig funktioniert. Manchmal mussten wir nachjustieren. Auf diese Erfahrung können wir jetzt zurückgreifen. 

Welches sind die typischen Fragen oder Anliegen, mit denen Immobilien- und Wohnungsunternehmen jetzt an Sie herantreten? Was raten Sie ihnen?

Die zentrale Frage ist immer: Wie beheize ich mein Gebäude? Das gilt für den Neubau wie für den Bestand. Aber darauf gibt es keine Standardantwort. Je urbaner und je älter das Objekt ist, desto weniger Optionen gibt es für eine passende regenerative Quellenergie. Darüber hinaus ist die spannende Frage, wie die Wärmepumpen im Winter eingesetzt werden können, ohne das Stromnetz zu überlasten. Dies kann durch die clevere Kombinationen verschiedener Energieerzeuger gelöst werden.  

Ihre Meinung zum Gebäudeenergiegesetz: Top oder Flop? 

Sowohl als auch. Vor 15 Jahren wäre das Gesetz bahnbrechend gewesen. Heute ist es einfach das notwendige Instrument, um die versäumte Energiepolitik so schnell wie möglich nachzuholen. Das Ziel unseres Unternehmens ist es, ein fossilfreies Leben innerhalb einer Generation zu ermöglichen. Das nehmen wir ernst und dafür ist das Gesetz gut, denn wir müssen schnell handeln. Kritisch sehen wir, dass das Gesetz sehr viel Verantwortung in die Hände der Kommunen legt. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass das zu unterschiedlichen Rahmenbedingungen führen wird – je nachdem, wo gebaut wird. Das wiederum beeinflusst den Wettbewerb. Andererseits ist es aber auch gut, dass die Kommunen mitbestimmen können. 

Wie viel Prozent der Wohnungsbestände werden nach Ihrer Einschätzung bis 2030 an Fern- oder Nahwärmenetze angeschlossen sein?

Sich hier auf eine Zahl festzulegen, wäre höchst unseriös. Aber es werden auf jeden Fall wesentlich mehr sein als aktuell. Momentan entwickeln sich viele Contractoren zu Netzbetreibern und der Anreiz, sich dort anzuschließen, ist riesig. Das ist eine spannende Entwicklung. 

Wo wird es ohne Wärmepumpe nicht gehen? 

Überall dort, wo ein Anschluss an die Fernwärme nicht möglich ist, sind Wärmepumpen (vor allem im Neubau) zumeist die sinnvolle Alternative.

Was ist mit Wasserstoff?

Wasserstoff wird den Anwendungen vorbehalten sein, für die es keine Alternativen gibt – beispielsweise industriellen Prozessen oder den großen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen für die Fernwärmeerzeugung, die während der kalten Dunkelflaute Strom und Wärme produzieren. Einen Einsatz bei dezentralen Versorgungslösungen sehe ich mit Blick auf die Verfügbarkeit und die Kosten nicht.  

Wird die Energieversorgung in den nächsten Jahren teurer werden? 

Um ehrlich zu sein: ja. Der Einsatz der fossilen Energieträger hat uns jahrelang ein vermeintlich günstiges Leben beschert. Die letzten Jahre haben uns aber schmerzlich gezeigt, wie volatil dieser Markt ist und welche Klimakosten auf uns zukommen, wenn wir an den fossilen Energieträgern festhalten. Die klimaschonenden Technologien, die wir jetzt einsetzen, erfordern größere Investments. Das hängt auch mit der fehlenden oder unzureichenden Förderstruktur zusammen. 

2024 zieht Vattenfall um in die HafenCity: Werden Sie das Arne-Jacobsen-Haus und die City Nord vermissen?

Das Haus selbst werde ich sicher vermissen. Für mich steht der Umzug allerdings auch symbolisch für einen Umbruch: Wir sind heute ein anderes Unternehmen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Wir haben ein sehr klares Klimaziel, unsere Arbeitsweisen sind sehr viel flexibler, unser Verständnis von einer nachhaltigen Arbeitsumgebung steht im Mittelpunkt. Dem tragen wir mit unserem Umzug Rechnung.