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Nachgefragt bei Dr. Sabine Sütterlin-Waack

Welches sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen beim Wohnungsbau?

Es ist die Gemengelage: knappes Bauland, fehlende Fachkräfte, hohe Rohstoffkosten, abge-rissene Lieferketten, und nun auch noch steigende Zinsen. Das macht die Situation sicher nicht einfacher.

Der neue Koalitionsvertrag sieht einige Maßnahmen zum Mieterschutz vor. So wird es ein Wohnraumschutzgesetz geben und die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen wird wieder eingeführt. Wissen Sie schon, wie sie konkret ausgestaltet sein soll?
Die Vorlage eines Wohnraumschutzgesetzes gehört zu unserem 100-Tage-Programm, hier möchten wir also besonders schnell vorankommen. Vorwegschicken möchte ich unsere gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft. Wir wissen, dass die allermeisten meisten Vermieterinnen und Vermieter verantwortungsvoll mit dem Gebäudebestand umgehen, um gute Wohnverhältnisse zu schaffen. Dennoch gibt es immer wieder Einzelfälle, die aufzeigen, dass die Kommunen mehr Durchgriffsmöglichkeiten brauchen, wenn Häuser verwahrlosen, vielleicht sogar gesundheitsgefährdend für die Bewohnerinnen und Bewohner sind. Der Gesetzentwurf wird Mindeststandards für Wohnraum festlegen. Wir werden verlangen, dass Heizungs- und Sanitäranlagen funktionieren, die Gebäudehülle dicht ist und genügend Tageslicht die Räume erreicht. Die Ausstattung wie z.B. Aufzugs-, Türschließ- oder Beleuchtungsanlagen in Hauseingängen und Treppenfluren muss nutzbar sein. Falls hier Missstände auftreten, sollen Gemeinden handeln können. Sie werden Auskunfts- und Betretungsrechte erhalten, können Anordnungen treffen und schlimmstenfalls auch Räume für unbewohnbar erklären. Dann wird es Aufgabe der Vermieterin oder des Vermieters sein, für eine anderweitige zumutbare Unterbringung der Mieterhaushalte zu sorgen, wenn er den schlechten Zustand zu verantworten hat.
Die Aufnahme einer Gemeinde in die Kappungsgrenzenverordnung bewirkt, dass im laufenden Mietverhältnis die Möglichkeit zur Mietsteigerung gedämpft wird. Voraussetzung ist das Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes und die entsprechende Bestimmung des Gebietes durch eine Landesverordnung. Über ein Gutachten werden wir analysieren lassen, in welchen Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein wir den Mieterschutz verstärken müssen.
In Schleswig-Holstein hat es von 2014 bis 2019 bereits eine Kappungsgrenzenverordnung mit insgesamt 16 Kommunen gegeben. Daran werden wir nicht so ohne weiteres anknüpfen können, denn sie beruht auf einer veralteten Datenlage. Im Rahmen des Baurechts sind wir zwar gerade dabei, die Wohnungsmärkte im Land Gemeinde für Gemeinde zu untersuchen und Schwellenwerte festzulegen, die eine Aufnahme in eine Landesverordnung zur Baulandmobilisierung erlauben. Grundlage des Gutachtens ist der sehr umfassende Datenbestand unserer Investitionsbank zur Verfügbarkeit von Wohnraum und zu den Miethöhen. Auch diese Gebietskulisse, die wir nun auf der Grundlage von § 201a BauGB feststellen, wird allerdings nicht dieselbe sein, wie die der Kappungsgrenzenverordnung, selbst wenn beide Normen einen angespannten Wohnungsmarkt voraussetzen. Der Gesetzeszweck und die Betroffenheit von Grundrechten, insbesondere des Eigentumsrechts und des Rechtes der Vertragsfreiheit, sind jeweils für sich zu bewerten, so dass die Schwellenwerte voneinander abweichen werden.

Wie helfen Sie denjenigen, die Eigentum erwerben möchten?
Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung des Landes Schleswig-Holstein gibt es für sogenannte Schwellenhaushalte ein attraktives Förderprogramm für den Wohneigentumserwerb (Neubau, Ersterwerb und Erwerb von vorhandenem Wohnraum). Es können Haushalte mit mindestens einem Kind und/oder einem schwerbehindertem Angehörigen, die bestimmte Einkommensgrenzen einhalten, gefördert werden. Die Förderung erfolgt durch ein Darlehen in Höhe von 100.000,- Euro je Eigentumsmaßnahme, das 20 Jahre zinsfrei ist. Für besondere bauliche Maßnahmen für Schwerbehinderte oder zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Immobilie sind Zusatzdarlehen in Höhe von bis zu 50.000,- Euro bzw. bis zu 15.000,- Euro möglich. Darüber hinaus werden Privatpersonen bei Hauskauf und Hausbau in einem Quartier, das von dem Sonderprogramm „Neue Perspektive Wohnen“ (Förderung von zukunftsfähigen, qualitativen Wohnformen) zertifiziert wurde, mit einem Zuschuss in Höhe von 6.000,- Euro gefördert, wenn sie dort attraktive Eigentumswohnformen im Neubau in energie-, flächen- und kostensparender Bauweise realisieren.

Kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften sollen besonders gefördert werden. Was planen Sie in dieser Hinsicht konkret? Und wie ist das mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar?
In der Initiative für Wohnen sollen neben anderen auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften die Möglichkeit haben, Hemmnisse und Probleme vorzubringen und durch gemeinsame Anstrengungen zu lösen. Dabei wollen wir für die Entwicklung und Realisierung von bezahlbarem Wohnraum unter anderem den Baulandfonds zur Verfügung. Genossenschaftliche Gruppenwohnprojekte und private Baugemeinschaften werden bereits seit 2004 mit Landesmitteln gefördert. Diese Förderung soll fortgesetzt und durch drei ineinandergreifende Bausteine angepasst werden. Vorgesehen sind die Begleitung von Gründungsprozessen, die Förderung von Genossenschaftsanteilen und die investive Förderung von Bauvorhaben. Als erster Schritt ist kurzfristig die Auflegung eines Wohnprojekte-Gründungsfonds geplant: Durch einen Zuschuss sollen Initiativgruppen in die Lage versetzt werden, in einer frühen Projektentwicklungsphase Expert*innenwissen und unabhängige Sachverständigenleistungen im Rahmen des Gründungsvorgangs einholen zu können. Auf diese Weise soll die Selbsthilfe initiierender Wohnprojektgruppen gestärkt werden. Mit der Förderung sollen so Initiativen eine Chance bekommen, ihre Vorhaben umzusetzen, die nicht wie die etablierten Unternehmen am Markt über ausreichendes Kapital und ausreichendes Know-how verfügen. Da wir somit nur strukturelle Nachteile ausgleichen, sehe ich keinen Konflikt mit dem Wettbewerbsrecht, das man natürlich im Blick behalten muss.

Ab 2025 soll für Neubauten eine Solardachpflicht gelten. Die Wohnungswirtschaft hätte sich mehr Offenheit beim Erreichen der Klimaschutzziele gewünscht. Warum wird es nun doch diese Verpflichtung geben?
Um die Energiewende insgesamt zu beschleunigen, sind sektorübergreifende Maßnahmen erforderlich. Solaranlagen können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiesouveränität leisten. Gebäudedächer bieten hierfür ein enormes Potential.
Die Solarpflicht sendet dabei einen wichtigen Impuls und schafft Planungssicherheit für die Gebäudeeigentümer, aber auch für die Solarbranche. Hierdurch wird für die Unternehmen die nötige Verlässlichkeit geschaffen, um erforderliche Investitionen zu tätigen und dringend benötigtes Fachpersonal auszubilden. Die Kürzungen in der Solarstromvergütung und der – inzwischen aufgehobene – Solardeckel von 52 GW führten in der Vergangenheit zu Verunsicherungen in der Branche. Die Rentabilität von Solaranlagen war daher zeitweise nicht oder nur sehr schwer einschätzbar. Die Solarpflicht greift bewusst erst ab dem Jahr 2025, damit Unternehmen und die Politik jetzt die Zeit haben, notwendige Kapazitäten aufzubauen. Alternativ zum Eigenbetrieb besteht durch die Option eines Contractingmodells ein interessantes Geschäftsfeld für die Wohnungswirtschaft.

Das Ziel sind 15.000 neue Wohnungen pro Jahr. Halten Sie das unter den aktuellen Rahmenbedingungen für realistisch?
Die Rahmenbedingungen im Wohnungsmarkt sind aktuell sicherlich sehr anspruchsvoll. Die Lieferketten für den Wohnungsbau sind durch die Pandemie und den Ukrainekrieg gestört. Dieses macht sich in einem allgemeinen Preisanstieg und überproportional steigenden Baukosten bemerkbar. Ein weiterer Kostentreiber für den Wohnungsbau sind die höheren Finanzierungskosten wegen steigender Zinsen. Die energetischen Anforderungen an Wohnungen nehmen immer weiter zu, was ein weiterer Kostenfaktor ist. Dieses ist jedoch für den Klimaschutz und vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges mit dem Anstieg des Gaspreises und dem Blick auf die Versorgungssicherheit der richtige Weg. Allerdings dürfen wir hier eine Kosten-Nutzen-Analyse nicht aus dem Blick verlieren. Der Wohnungsbau muss für die Unternehmen wirtschaftlich und für die Mieterhaushalte bezahlbar bleiben. Wenn wir diese Punkte beachten, können wir trotz der herausfordernden Situation im Wohnungsbau die Zahl von 15.000 neuen Wohnungen pro Jahr erreichen. Die aktuellen Zahlen zeigen uns hier auch deutlich, dass die Wohnungswirtschaft im Land trotz der Schwierigkeiten noch eine Schippe oben drauflegt: So wurden bis Mai 2022 mit 7.746 Baugenehmigungen im Periodenvergleich etwa 20 Prozent mehr beantragt als bis Mai 2021 und bis Mai 2020. Sicherlich wird es in der Wohnungswirtschaft trotz der guten Zahlen auch Projekte geben, die zur Disposition stehen oder deren Weiterentwicklung ausgesetzt ist. Das Land wird die Bedingungen im Wohnungsbau im Auge behalten, Maßnahmen werden ergriffen, sofern es notwendig ist. Lassen Sie mich hierzu anführen, dass wir mit Wegfall der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG-Förderung) Anfang des Jahres uns zum einen beim Bund für eine Wiederaufnahme des Programmes eingesetzt haben und zum anderen die Zuschussförderung im geförderten Wohnungsbau auf 1.000 € / qm Wohnfläche im 1. Förderweg und 200€ / qm Wohnfläche im 2. Förderweg befristet bis zum Jahresende erhöht haben, um den Wegfall der Bundesförderung zu kompensieren.